Bestechung oder Belohnung?
Warum der Einsatz von Leckerlies Sinn macht und Strafen nicht
von Ann-Kristin Baison
Hunde sind von Natur aus Opportunisten. Das bedeutet, dass sich ein Verhalten für sie lohnen muss, damit es wiederholt wird. Neue, erwünschte Verhaltensweisen und Signale müssen aus Hundesicht Vorteile bringen. Kurz gesagt, ein Verhalten, das sich lohnt, wird wiederholt und ein Verhalten, das sich nicht lohnt, wird (nach und nach) abgestellt.
Jetzt ist es aber so, dass der Hund entscheidet, was sich lohnt und was nicht. Belohnung ist immer etwas, das das akute Bedürfnis des Hundes befriedigt. Die Belohnung sollte aus Hundesicht, gerade bei neuen Übungen, immer höherwertiger sein als konkurrierende Verleitungen. Oft meinen wir Menschen den Hunden etwas Gutes zu tun, aber der Hund interessiert sich (in dem Moment) nicht dafür. Zum Beispiel wird der Hund nach einem erfolgreichen Abruf von einem spannenden Reiz mit einer gutgemeinten Streicheleinheit belohnt. Der Hund ist aber noch in einem Aufregungszustand und kann die Streicheleinheit nicht wie zu Hause genießen. Man kann es ungefähr mit einem Kind vergleichen, das zu Hause noch mit der Mutter gern kuschelt, aber auf dem Schulhof keine Abschiedsumarmung mehr möchte. Ich empfehle immer, dass man eine Liste anfertigt mit 10 Dingen, die der eigene Hund gut findet und sich zu Hause z.B. an den Kühlschrank klebt. Vielleicht ist es aber auch so, dass der Hund statt Leckerlies lieber schnüffelt, rennt oder spielt. Das alles kann man auch als Belohnung im Training einsetzen.
Im Hundetraining sprechen wir von Verstärkern/Strafen, die die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Verhaltens gezeigt wird, erhöhen oder verringern sollen. Wir unterscheiden dabei zwischen 4 verschieden Varianten:
- Der positive Verstärker: Dem Hund wird etwas Angenehmes gegeben
- Der negative Verstärker: Dem Hund wird etwas Unangenehmes weggenommen
- Die positive Strafe: Dem Hund wird etwas Unangenehmes hinzugefügt
- Die negative Strafe: Dem Hund wird etwas Angenehmes weggenommen
Dass der Hund einen positiven Verstärker gut findet und eine positive Strafe nicht, wird jedem einleuchten. Im Hundetraining nutzen wir viel den positiven Verstärker (z.B. der Hundekeks nach dem Sitz) und die negative Strafe (z.B. ignorieren wir aufmerksamkeitsforderndes Verhalten).
Über die Qualität der Belohnung können wir steuern wieviel Emotion der Hund in die Handlung steckt. Als Beispiel nehmen wir nochmal den Abruf: Wenn der Hund, statt hinter dem Hasen hinterher zu rennen, auf den Abruf reagiert und dann ein Stück Trockenfutter aus der Hand des Menschen dafür erhält, kann der Hund das als schlechtes Tauschgeschäft empfinden. Nehmen wir jetzt aber ein Stück Geflügelfleischwurst und der Hund darf hinter dem geworfenen Stück hinterherhetzen, sieht das Tauschgeschäft schon besser aus.
Wenn der Hund jetzt aber das Stück Geflügelfleischwurst auch für ein sehr langsames, zögerliches Zurückkommen bekommt, wird der Hund keinen Nutzen im Zeigen von Bestleistungen mehr sehen. Gleichförmige Belohnungen führen zu nachlassenden Leistungen.
Bei dem negativen Verstärker empfindet der Hund Erleichterung, dass das Unangenehme aufhört. Wenn wir beim Sitz mit der Hand das Hinterteil des Hundes herunterdrücken und in dem Moment aufhören, in dem er sitzt, verspürt der Hund Erleichterung. Wir bringen den Hund aber vorher in eine Situation, in der er sich nicht wohlfühlt. Das birgt immer ein Risiko von Stress, was zu der Gefahr einer Lernblockade führen kann. Vielleicht schafft der Hund es nicht mehr selbstständig eine Lösung für die Situation zu finden.
Je nach Art und Anwendung der positiven Strafe kann es zu Unsicherheiten und Furcht kommen. Dies ist kein angenehmer oder schneller Weg des Lernens. Der Hund lernt nur, was er nicht tun soll. Ein Alternativverhalten wird ihm als Möglichkeit nicht gezeigt. Die positive Strafe kann nur erfolgreich sein, wenn das unerwünschte Verhalten konsequent jedes Mal in der richtigen Intensität und zur rechten Zeit abgebrochen wird. Der (unerfahrene) Mensch ist nicht dafür gemacht diese drei Punkte korrekt einzuhalten. Die Gefahr von Fehlverknüpfungen ist sehr hoch. Der Mensch kann oft nicht zu 100% beeinflussen was der Hund lernt. Erfährt der Hund eine positive Strafe in dem Moment, wenn er Kinder sieht, kann er die Strafe mit den Kindern verknüpfen und sie als Verursacher des Schmerzes sehen. So lernen unsere Hunde eben! Bei der positiven Strafe landen wir dann auch schnell beim Verstoß gegen das geltende Tierschutzgesetz: keinem Tier darf Schmerzen, Schäden oder Leiden zugefügt werden! Mal abgesehen davon, dass der Hund ein starkes Angstgefühl und Meideverhalten entwickeln kann, das in der Ausweglosigkeit in Gegenaggression umschlagen kann. Der Einsatz einer positiven Strafe ist also mehr als kritisch zu sehen.
Der Einsatz der negativen Strafe kann sinnvoll sein. Im Training oder im Alltag kann das Ignorieren der unerwünschten Verhaltensweise, also der Entzug der Aufmerksamkeit, als negative Strafe angewandt werden. Hunde lernen schnell, welche Verhaltensweise zum Erfolg führen. Wenn wir das Anspringen ignorieren, wird der Hund es als Misserfolg verbuchen und es zukünftig einstellen. Bleibt der Hund dann artig sitzen zur Begrüßung, können wir das Verhalten belohnen. So vermeiden wir auch, dass er Hund ein Frustationsgefühl empfindet oder sich gar in seinem Verhalten steigert.
Was genau ist jetzt aber der Unterschied zwischen Bestechung und Belohnung? Wenn man dem Hund beim Abruf schon vorher das Stück Geflügelfleischwurst zeigt, ist es Bestechung. Eine Belohnung ist es, wenn der Hund das Fleischstück erst beim Menschen sieht und erhält.
Seien Sie kreativ in den Belohnungsmöglichkeiten und Ihr Hund wird Sie wirklich spannend finden!